Von Alois Thoma

Landkreis „Mit nordschwäbischem Rekord Schwäbischer Vizemeister“, „Schüssler sprintet zum Bayerntitel“, „Persönliche Bestleistung: König ist Bayerischer Meister“, „Sensationeller Siegeszug: LAZ holt sieben Titel“, „Glanzvollen Schlusspunkt hinter eine erfolgreiche Saison gesetzt“, „LAZ-Staffeln glänzen bei den Südbayerischen Meisterschaften“, „Gerhard Pfeiffer bester Schwabe“, „Den Speer auf Rekordweite geschleudert“, „LAZ-Männer sind Bayerischer Meister“ – die Liste der Schlagzeilen ließe sich noch lange fortsetzen. Geliefert haben diese positiven Nachrichten Sportler aller Altersschichten. Sportler des Leichtathletikzentrums (LAZ) Kreis Günzburg. Die Erfolge sind das Produkt einer Ehe, die vor 50 Jahren geschlossen wurde. Leichtathletik betreibende Vereine aus dem damaligen Landkreis Günzburg sagten „Ja“ zu einer überregionalen Vereinigung. Im Jahr 1975 heirateten sich in diese auch die Vereine TSG Thannhausen und TSV Krumbach sowie einige Jahre später auch der TSV Niederraunau aus dem damals noch selbständigen Landkreis Krumbach ein. Im Herbst dieses Jahres nun feiert das LAZ Günzburg sozusagen „Goldene Hochzeit“ und blickt auf 50 Jahre harmonisches Miteinander zurück.

Brautwerber und Hochzeitslader war seinerzeit Landrat Dr. Georg Simnacher. Er war es, der die Vereine aus dem Günzburger Raum im Jahr 1970 an den Hochzeitstisch geholt und mit ihnen die Weichen für eine äußerst erfolgreiche gemeinsame Zukunft gestellt hat. Am 8. Mai 1970 trafen sich im Landratsamt Günzburg 35 stimmberechtigte Vertreter der leichtathletiktreibenden Vereine aus Burgau, Günzburg, Leipheim und Ichenhausen um sich das „Ja-Wort“ für einen gemeinsamen Lebensweg zu geben. Es war die erste Vereinigung dieser Art in Bayern. „Vereinsegoismus hintanstellen und mit Gemeinschaftsgeist zu größeren sportlichen Erfolgen kommen“, so formulierte damals Landrat Simnacher das Ziel seiner Initiative. Nach dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“ war es das Bestreben, schlagkräftige Truppen zu bilden, um mit den großen Leichtathletikvereinen in München, Augsburg und Fürth, vor allem in den damals populären Mannschaftswettbewerben, mithalten zu können.

Dass das LAZ ein Lieblingskind des im Jahr 2014 verstobenen Landrats war, zeigt allein schon die Tatsache, dass Simnacher 27 Jahre Vorsitzender dieser Vereinigung war und sich in dieser Zeit stets um die Sorgen und Wünsche aller Athleten – gleich ob klein oder groß – annahm und sich durch Kontakte zu Politik und Wirtschaft unter anderem auch darum bemühte, dass nie ein Loch in der Haushaltskasse entstand.

Es gab natürlich seinerzeit auch einige Skeptiker, die der Leichtathletik-Ehe keine großen Zukunftschancen gaben und manch Ehekrise befürchteten. Und was den Zweiflern ein besonderer Dorn im Auge war: die teilnehmenden Vereins mussten einen Teil ihrer Souveränität aufgeben, denn die Athleten starteten nicht mehr für ihren Heimatverein sondern für das LAZ Günzburg. „Das ist doch ein Krumbacher, warum startet der denn für Günzburg“, bekamen die Verantwortlichen anfangs zu hören. Doch die Kritik verstummte sehr schnell. Ganz einfach, weil sich sehr bald die Erfolge einstellten und das LAZ auf schwäbischer und bayerischer Ebene sehr gut mitmischen konnte, wie der Blick in die Statistik bestätigt. Zudem entlastete das LAZ die Vereine finanziell, indem es Zuschüsse für die Startgebühren und Fahrtkosten gewährte.

Einer der damals unter den „Trauzeugen“ war ist der heute 78 Jahre alte Manfred Skibbe aus Burgau. Der einstige Mittel- und Langstreckler und langjährige Trainer hat die gesamte Entwicklung des LAZ aktiv miterlebt. Er weiß noch um die Abmachung, dass die Athleten bei den Wettbewerben zwar für das LAZ starten und unter diesem Namen auch in der Ergebnisliste auftauchen, bei der Berichterstattung in der Heimatzeitung aber unter dem Namen ihres Heimatvereins präsentiert werden.

Musterknabe in den Anfangsjahren war zweifelsohne der Läufer Hans Munzinger, der den Sprung in die deutsche Spitzenklasse schaffte. Er war unter anderem nicht nur Dritter über 3000 Meter bei den Deutschen Hallenmeisterschaften, Deutscher Vizemeister im Waldlauf, Dritter über 10000 Meter bei der DM in Berlin und bei zwei Landerkämpfen im Einsatz sondern er machte auch auf sich aufmerksam, als er beim Hans-Braun-Sportfest in München in der Zeit von 13:53,6 Minuten über 5000 Meter den Weltklasseläufer Gaston Roealants aus Belgien besiegte. Der Deutsche Leichtathletikverband würdigte die Leistungen Munzingers mit der Berufung in die Nationalmannschaft, mit welcher der Günzburger Ausnahmeathlet dann eine dreiwöchige Traumreise in den Orient antreten durfte. Übrigens: mit einer Zeit von 28:40 Minuten über die 10000 Meter-Distanz ist Munzinger heute noch unerreichter Rekordhalter im LAZ.

Hans Munzinger
Eberhard Wiek (zweiter v.r.)

Noch bestens in Erinnerung ist Manfred Skibbe ein sportliches Großereignis aus dem Jahr 1973. Es war ein Länderkampf im Stadion des TSV Burgau mit der Nationalmannschaft aus Ghana. Initiiert hat dies der Günzburger Mehrkämpfer Walter Abmayr, der zu dieser Zeit Nationaltrainer in Ghana war. Mehrere Tage weilte die 28-köpfige Delegation aus Westafrika im Landkreis Günzburg, wo sie teilweise bei LAZ-Sportlern untergebracht war und auch verpflegt wurde. Die enormen Anforderungen, die da auf das LAZ mit Planung und Organisation zukamen, brachten den LAZ-Chef Simnacher nicht aus der Ruhe. „Der hat Jahre vor der Bundeskanzlerin Merkel schon gesagt: Wir schaffen das!“, erinnert sich Skibbe. Und er hat auch noch den Weitspringer Charlton Ehizuelen im Gedächtnis, der den Burgauern deswegen Sorgen bereitete, weil seine Bestweite damals schon bei 8,21 Metern lag und somit die Gefahr bestand, dass die Burgauer Weitsprunganlage zu kurz sein könnte. Total überrascht waren beim Länderkampf die Organisatoren von dem enormen Zuschauerinteresse. „Wir rechneten damals mit ein paar hundert Zuschauern, gekommen sind aber so um die 3000“, erzählt Skibbe. Das LAZ hätte also richtig Kasse machen können, doch, so Skibbe, „wir haben im Eifer des Gefechtes ganz vergessen Eintritt zu kassieren“.

Und da waren auch die jährlichen Vergleichskämpfe in den 70er Jahren mit der Leichtathletikvereinigung Züricher Oberland. Am Samstag wurde tagsüber in den verschiedenen Disziplinen gekämpft und abends dann gemeinsam gefeiert. Tags darauf gab es dann noch ein weiteres Highlight: das „Länderspiel“ Schweiz gegen Deutschland im Fußball. „Da haben die Schweizer aber nie gewonnen“, weiß Skibbe noch ganz genau.

Solche Veranstaltungen und zahlreiche sportliche Erfolge der LAZ-Athleten sorgten dafür, dass sich die Vereinigung über die Grenzen Schwabens und Bayerns einen sehr guten Ruf erworben haben. So ist in einem Jahresbericht folgendes nachzulesen: „Nicht einmal die größten Optimisten hatten mit einem solchen Aufschwung gerechnet. Alle Zweifler und Kritiker wurden eines Besseren belehrt.“

Es gibt viele Namen, die zum Ansehen des LAZ in den 50 Jahren ihren Beitrag geleistet haben. Da sind zum Beispiel die Geher Anton Hab, Hans Steck, Wilhelm Schmid und Monika Bader, der Kugelstoßer, Speer- und Diskuswerfer Dieter Duttke, die Weitspringerin Erna Baumann, der Sprinter und Techniker Josef Pokopec, der Läufer Erwin Weißenhorner, der Hürdenläufer Bernd Hänschke sowie aus der „Neuzeit“ ein Josef Strähle (Deutscher Juniorenmeister im Speerwurf), ein Manuel Bieglmayer (Deutscher Jugendmeister im Dreisprung) oder ein Paul Walschburger (Deutscher Meister im Block/Wurf). Vor allem aber auch in den Mannschaftswettbewerben lagen die Stärken des LAZ, sowohl früher als auch heute. „Es würde den Rahmen sprengen, diese hier alle namentlich aufzuführen“, betont der heutige Vorsitzende Gerhard Pfeiffer.

Die Geher

Den zahlreichen Erfolgen lag natürlich manch schweißtreibende Trainingseinheit zugrunde. Gerhard Pfeiffer und Manfred Skibbe, der ins 58. Jahr als Leichtathletiktrainer geht, wissen nur allzu gut aus eigener Erfahrung, dass es mit bis zu fünfmaligem Training pro Woche nicht getan ist. „Da steckt deutlich mehr dahinter“, betont Skibbe. Manches Wochenende ging mit der Teilnahme an diversen Lehrgängen und damit verbundenen weiten Fahrten drauf. Zudem mussten sich die Trainer zum Beispiel auch darum kümmern, dass der Athlet schulfrei bekommt. „Aber“, so der 78jährige Burgauer, „es waren schöne Zeiten.“

Nicht nur auf den heimischen Leichtathletikanlagen sondern auch im Ausland wurde trainiert. „Vor allem die Trainingslager in der Toscana waren bei Jung und Alt sehr begehrt, einfach ein Highlight“, betont Gerhard Pfeiffer. Er schwärmt selbst heute noch vom tollen Stadion in Viareggio, den schönen kilometerlangen Wegen im angrenzenden Pinienwald, den knallharten Strandläufen, dem warmen Klima und natürlich dem guten Essen und Teilnehmerzahlen von 50 bis 60 Leichtathleten. Zweimal am Tag wurden diese zum Training gerufen. 25 Jahre lang war ununterbrochen die Toscana jeweils in der Osterzeit das Ziel der schwäbischen Leichtathleten.

Tobias Wiedemann

2013 war eines der stärksten Jahre des LAZ in der „Neuzeit“. „Da gab es sehr viele erfolgreiche Sportler zu ehren, die mit extrem guten Ergebnissen aufwarteten“, erinnert sich Gerhard Pfeiffer. Besonders im Rampenlicht standen hier aufgrund ihrer Leistungen Paul Walschburger, Lukas Wunderlich, Yannick Bals, Anthony Möckel, Chiara Fischer, Johannes Mensch, Simon Auerhammer, Markus Preißinger, Manuela Groß, Daniel Kinzel, Andreas Rott und Matthias Schneider. Trainiert wurden sie von Manfred Skibbe, Luis Brandner, Uschi Schreinert, Frank Kühnl und Gerhard Pfeiffer.

Dass in den 50 Jahren Ehe mal der Haussegen gefährlich in Schieflage geraten wäre, davon ist Gründungszeuge Manfred Skibbe nichts bekannt. „Das war nie der Fall, jeder Verein hat doch vom Zusammenschluss profitiert. Und wenn ab und zu mal doch etwas zur Diskussion stand, dann hat man sich zusammengesetzt, mit einander geredet und der Käs war gegessen“, unterstreicht der 78-Jährige.

Einer der Gründe, warum das LAZ nie ernsthaft in personelle Existenznöte geriet lag daran, dass sie Leichtathletikfamilie immer um Nachwuchs bemüht war. Die geleistete Nachwuchsarbeit blieb auch an höchster bayerischer Stelle nicht verborgen. Und so zeichnete der Bayerische Leichtathletikverband im Jahr 2010 das LAZ für erfolgreiche Jugendarbeit aus.

Und wie sieht die Situation heute aus. Wie bei anderen Vereinen auch, bestehe, so Pfeiffer, das Problem, dass man sich in der schnelllebigen Zeit schwertue, einen langjährigen Aufbau in den Einzelsportarten zu erreichen und Ehrenamtliche für die Leichtathletik zu gewinnen. Der LAZ-Vorsitzende will aber nicht klagen, „zumal es uns trotz der schwierigeren Bedingungen noch immer gelingt, Talente nach vorne zu bringen, die auf schwäbischer, bayerischer und sogar noch höherer Ebene leistungsmäßig mithalten können“. Und so können die derzeit unter dem Dach des LAZ aktiven Athleten des TSV Burgau, TSV Offingen, TSV Niederraunau, VfR Jettingen, VfL Leipheim, der TSG Thannhausen und der SpVgg Gundremmingen hoffnungsvoll ins nächste halbe Jahrhundert blicken…

Und so soll das Jubiläum gefeiert werden:
Samstag, 19. September ist auf dem Sportplatz des Schulzentrums in Krumbach ein Jubiläums-Sportfest in Form eines Vergleichskampfes mit anderen großen Leichtathletikvereinen geplant.
Eine Jubiläumsfeier mit Ausstellung im Vortragssaal der Sparkasse in Günzburg ist für Freitag, 16. Oktober, terminiert.

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